Warum lese ich meine Bibel?
Die meisten Leser dieses Blogs stimmen wohl der Aussage zu: Ein Christ sollte täglich seine Bibel lesen. Dies ist die Anwendung, unzähliger Predigten. Schon in jüngsten Jahren wird uns das Bibellesen eingetrichtert (wenn wir in einem christlichen Kontext aufwachsen durften). Hoffentlich!
Aber warum? Warum sollte Gottes Wort Teil meiner täglichen Diät sein? Zu welchem Zweck und mit welchem Ziel vor Augen lese ich täglich meine Bibel? Hier gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Vorstellungen. Bei dem einen gleicht das Bibellesen vielleicht dem Befragen eines Orakels. Dazu wird der Text häufig aus seinem Kontext gerissen und der Wortlaut des Textes direkt auf das Leben des Lesers angewandt.
Bei wieder einem anderen gleicht das Bibelstudium dem Lesen eines Lehrbuches. Die Bibel wird mit der Konkordanz in der einen und der Bibel in der anderen Hand als ein Sachbuch befragt, um ganz unterschiedliche Fragen und Aspekte des (christlichen) Lebens zu beleuchten. Nehmen wir mal die Frage nach gottwohlgefälliger Musik. Man trägt alle Bibelverse zusammen, die etwas über Musik aussagen, und fasst diese Aussagen dann zusammen. Ist das das Ziel für das tägliche Bibellesen? Auch wenn die Bibel durchaus nützlich ist, um alle Bereiche meines Lebens zu beleuchten (vgl. 2. Tim. 3, 16-17), so gibt es doch noch ein noch viel wichtigeres Ziel.
Für wieder einen anderen ist das tägliche Bibellesen durch den Gedanken motiviert, dass Gott mich heute nur segnen kann und wird, wenn ich wenigstens einige Verse in der Bibel gelesen habe. In diesem Falle wird das Bibellesen schon fast zu einem Talisman. Bewusst oder unbewusst spielt beim Bibellesen die Vorstellung mit, dass ich irgendwie durch das Lesen Gottes Wohlgefallen gewinnen kann und mir sicher sein kann, dass nach dem Lesen von einigen Versen alles zwischen mir und Gott im Reinen sein muss. Dass Gott doch eigentlich mit mir zufrieden sein sollte. Ähnlich liest wieder ein anderer täglich seine Bibel, in der Erwartung, dass sie eine reinigende Wirkung auf ihn hat. Irgendetwas ist sicherlich an dieser Vorstellung dran.
Es könnten sicherlich noch viele weitere Gründe hier aufgeführt werden, was den einen oder anderen zum Bibellesen motiviert. Wenn auch jede dieser vier Vorstellungen vom täglichen Bibellesen nicht so ganz daneben liegt, muss es doch einen sehr viel triftigeren Grund geben, warum ich täglich meine Bibel lese. Horatio Spafford bringt in der letzten Strophe seines wohlbekannten Liedes „Wenn Friede mit Gott“ einen der wichtigsten Gründe für unser tägliches Bibellesen, wie folgt, auf den Punkt:
„Nun leb’ ich in Christo für Christum allein, sein Wort ist mein leitender Stern“.
In diesen wenigen Worten bringt Spafford für uns auf den Punkt, worum es eigentlich in unserem geistliche Leben geht („Nun leb’ ich in Christo für Christum allein“) und welche Rolle dabei das Wort Gottes spielt („sein Wort ist mein leitender Stern“). Wenn wir ehrlich sind, geht jeder der oben genannten Gründe fürs Bibellesen am eigentlichen Wesen des christlichen Lebens vorbei (oder wirkt dem sogar entgegen, wenn ich meine, dass ich durch das Bibellesen Gottes Wohlgefallen gewinnen könnte!).
Paulus bringt das Wesen des geistlichen Lebens auf den Punkt: „Was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol. 1, 27). An anderer Stelle sagt er: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal. 2, 20). In diesem Bewusstsein, wer ich in Christus bin, was ich in Christus habe und was meine Berufung in und um Christi Willen ist, muss ich täglich als Christ zunehmen (vgl. Eph. 3, 14-2; Phil. 1, 3-11; Kol. 2, 1-3; etc.). Und dazu soll das Bibellesen dienen. Täglich lese ich Gottes Wort als meinen „leitenden Stern“, auf dass ich wieder ganz neu Orientierung, Halt, Ausrichtung und Erneuerung in meiner Beziehung zu Jesus Christus finde.
Sagt nicht auch 2. Timotheus 3, 14-17 – wohl der bekannteste Text im NT, der das Wesen der Heiligen Schrift beschreibt –, dass Gottes Wort dazu dienen soll, uns tiefer und tiefer in unsere Beziehung zu Jesus Christus hineinzuführen?
„Und dass du von Kind auf die heilige Schrift kennst, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.“ (2. Tim. 3, 14-17)
Die Heilige Schrift soll uns „unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben an Christus“ und dem Zweck dienen (d.h. „ist nütze“), dass wir „vollkommen sein, zu allem guten Werk geschickt“. Wie kann sie das anders bewirken, als dass die Heilige Schrift uns tiefer und tiefer in unsere Identität und unseren Stand in Jesus Christus hineinführt, in dem wir allein vollkommen gemacht werden (vgl. Kol. 1, 28).
Warum lesen wir also täglich unsere Bibel? Nichts wird uns mehr beim Bibellesen beflügeln und uns mehr dazu motivieren als das Bewusstsein: „Nun leb’ ich in Christo für Christum allein, sein Wort ist mein leitender Stern“.
(Dieser Blogeintrag lässt sicherlich entscheidende Fragen offen: Wie kann ich denn täglich von den ganz unterschiedlichen Büchern der Bibel (von Genesis bis Maleachi und Matthäus bis Offenbarung) mehr über mein Heil in Jesus Christus lernen, wenn häufig dort gar nicht die Rede von Jesus Christus und noch viel weniger von meiner Verbundenheit zu ihm die Rede ist? Ein weiterer Blogeintrag wird diesen Fragen demnächst nachgehen).
-KS