“Eigentlich eine Selbstverständlichkeit” — Wie das Christsein unsere Gesellschaft prägt
Anfang Dezember (2014) lud Papst Franziskus Vertreter der großen Weltreligion in den Vatikan ein, eine Resolution gegen moderne Sklaverei mit ihm zu unterzeichnen. In seinem Bericht über dieses historische Ereignis schreibt der ARD Korrespondent Jan-Christoph Kitzler:
Die Erklärung selbst, die heute in Rom unterzeichnet wurde, ist ein Kompromiss. Aber alle Vertreter der großen Religionen sind sich darin einig, dass ein Grundrecht durchgesetzt werden muss: dass alle Menschen gleich sind, dieselben Freiheiten und dieselbe Würde haben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Aber 36 Millionen, die zurzeit Opfer von Versklavung sind, zeigen, dass der gemeinsame Kampf dagegen auch in diesen modernen Zeiten nötig ist (zitiert aus einem Bericht auf www.tagesschau.de).
Kitzlers Aussage „Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen“ regt zum Nachdenken an. Ist es wirklich so „selbstverständlich“, dass alle Menschen gleich sind, dieselben Freiheiten und dieselbe Würde haben (insbesondere für Menschen, die ihre Ethik auf den Glauben an Evolution gründen)? Für uns im „Westen“ sicherlich schon. Aber warum wohl? Das, was Kitzler „selbstverständlich“ nennt, ist, wenn man die Frage ehrlich beantworten will, eine Frucht des 2000 Jahre alten Schirms des christlichen Einflusses auf den Westen. Gerade bei dem Thema Sklaverei wird man bei der Untersuchung, was am Ende des 18. Jhd. zum Ende des britischen Sklavenhandels geführt hat, auf den Namen William Willberforce stoßen, der aus christlicher Überzeugung heraus gegen Slaverei und Sklavenhandel gegenangekämpft hat. Dass alle Menschen gleich sind und dieselbe Freiheit und Würde verdienen, war nicht immer selbstverständlich, aber das Christsein hat dazu erheblich beigetragen, dass es heute so ist!
Aber unsere „wie selbstverständliche“ Überzeugung, dass es keine Sklaverei geben darf, weil alle Menschen gleich sind und dieselbe Freiheit und Würde haben sollen, ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie das Christsein so manches von dem Denken in unserer Gesellschaft geprägt hat—und das zum Bessern. In den letzten Jahren sind so einige Bücher erschienen, die der Frage nachgehen, wie das Christsein die Welt (zu mindestens die „westliche“ Welt) geprägt hat. Darunter auch Alvin Schmidts Buch Wie das Christentum die Welt veränderte: Menschen – Gesellschaft – Politik – Kunst (Resch-Verlag, 2009). In dem Vorwort zu diesem Buch schreibt Dr. Paul Maier:
In einem Klima des Multikulturalismus und seiner Verfügung, „die Wahrheit in allen Weltreligionen zu suchen”, ist es sicherlich nicht politisch korrekt dies zu sagen. Nachdem ich jedoch dieses Buch gelesen habe, muss ich sagen: Keine andere Religion, Philosophie, Lehre, Nation oder Bewegung—was es auch immer sein mag—hat die Welt zum Besseren verändert wie das Christsein. (S. 9; diese und die folgenden Seitenangaben entsprechen der englischen Ausgabe und die Übersetzungen sind meine eigenen aus dem englischen Original).
Das Mitleid und Mitgefühl, das „wie selbstverständlich“ viele Menschen (ob nun Christen oder Nichtchristen) in unserer westlichen Gesellschaft heute zeigen, ist, wie Schmidt aufzeigt, ein weiteres Beispiel für den 2000 Jahre andauernden Einfluss des Christentums auf unsere Gesellschaft.
Wenn in unserer säkularen Kultur moderne Menschen Barmherzigkeit und Mitleid angesichts der unterschiedlichen Tragödien zeigen—z.B. massive Hungersnöte, Erdbebenkatastrophen, Massenmorde—dann zeigen sie unbewusst das christliche Konzept von Mitleid, das sie verinnerlicht haben. Selbst sogenannte objektiv berichtende Journalisten kommen nicht drum herum Emotionen zu zeigen, wenn sie über schwerwiegende Katastrophen im Radio oder Fernsehen berichten. Aber wären diese Journalisten nicht unter dem 2000 Jahre alten Schirm des Einflusses von christlicher Wohlfahrt aufgewachsen, dann würden sie nicht viel Mitleid haben, ganz ähnlich wie die Griechen, Römer und andere. Wie Josiah Stamp gesagt hat, „Christliche Ideale haben die Gesellschaft durchdrungen bis Nichtchristen, die meinen ein ‚anständiges Leben‘ ohne Religion leben zu können, den eigentlichen Ursprung des Inhalts und Zusammenhangs ihres ‚Anstandes‘ vergessen haben“. (S. 131)
Weiter sagt Schmidt zu diesem Thema:
Menschen, die meinen dass sich die derzeitige Wohlfahrt und Mitgefühl in der westlichen Welt—sei es nun staatliche oder freiwillige Wohlfahrt—von alleine als eine Auswirkung der einfachen Zivilisation entwickelt habe, ohne jeglichen Anstoß oder Einfluss des Christentums, sind falsch informiert. Wie der deutsche Kirchengeschichtler C. Schmidt vor einem Jahrhundert gesagt hat, verschließt solch ein Denken „die Augen vor der Geschichte der Nationen und der Geschichte des menschlichen Herzens. Beide machen sehr deutlich, dass Wohlfahrt nicht das Produkt von Egoismus ist, genauso wenig wie Demut das Produkt von Stolz ist, dass ohne das Einwirken Gottes kein neuer Geist Individuen und die Welt wiederbeleben hätte können“. (S. 147)
Ein abschließendes Beispiel, das Schmidt auch ausführlich kommentiert, ist die Rolle und der Stand der Frau in unserer westlichen Welt, eine weitere Tatsache, die viel zu oft als
selbstverständlich genommen wird. Sehr provokant fragt er: „Kurz gefasst: wo haben Frauen mehr Freiheiten, Möglichkeiten und menschlichen Wert und Würde als in den Ländern, die stark vom Christsein beeinflusst wurden?“ (S. 122). Weiter führt er aus:
Heute scheinen radikale Feministen, von denen viele eine starke Antipathie mit dem Christsein hegen, nicht zu erkennen, dass wenn Jesus Christus nicht seine Nachfolger geprägt hätte, Frauen heute sehr wahrscheinlich nicht sehr viel mehr Freiheiten im Westen hätten als die moslemischen Frauen im heutigen mittleren Osten. Freiheit hat wahrhaftig seine Ironien. Sie erlaubt ihren Nutznießern die Quelle ihrer Freiheit zu verleugnen und verachten, in diesem Falle Jesu Christi heilsamen Einfluss auf das Leben von Frauen. (S. 116)
Es könnten noch viele weitere Beispiele hier angeführt werden. Ich kann die Lektüre von Alvin Schmidts Buch (sowie viele andere, die über dieselbe Thematik geschrieben haben) sehr empfehlen. Dabei wird einem bewußt wieviel wir heute als selbstverständlich beurteilen, was eigentlich gar nicht so selbstverständlich ist. Denn in Wirklichkeit ist es ein klares Zeugnis für das Licht, das Jesus Christus vor über 2000 Jahren in eine dunkle Welt gebracht hat.