DIE MEHR-KONFERENZ 2018 — Johannes Hartl begeistert immer mehr Evangelikale
Wir danken Hans-Werner Deppe vom Betanien Verlag für diesen Gastbeitrag. Dieser Artikel ist ursprünglich auf dem Blog des Betanien Verlags erschienen.
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Anfang Januar fand in Augsburg die diesjährige MEHR-Konferenz mit Johannes Hartl und ca. 11.000 Teilnehmern statt. Ein christliches Mega-Event, eigentlich katholisch-charismatisch und ökumenisch ausgerichtet, aber erstaunlicherweise sind aus meinem Bekanntenkreis etliche eigentlich bibeltreue Christen hingefahren. Einer von ihnen wurde sogar aus dem Publikum ausgewählt und vor laufender Kamera befragt, warum er dort sei. „Um mich vom Heiligen Geist füllen zu lassen“, antwortete er. Aber kann man auf der MEHR-Konferenz wirklich vom Heiligen Geist erfüllt werden? Ein anderer mir bekannter Christ nannte (privat) als Begründung, er wolle einfach mal frei von lehrmäßigen Lasten Gemeinschaft mit Christen erleben. Ist das ein berechtigter Wunsch?
Am Konferenz-Samstagabend habe ich mir den Livestream angeschaut, um mir ein eigenes Bild zu machen. Angekündigt war ein Vortrag von Johannes Hartl zum Thema „Europe shall be saved“ (Europa soll gerettet werden). Es war aber kein Vortrag im eigentlichen Sinne, sondern mehr eine Show, auf der Hartl als Moderator verschiedene Gäste präsentierte. Der erste war Jean-Luc Trachsel, ein Extrem-Charismatiker, der von seiner Geistestaufe mit sechs Jahren und seinen erfolgreichen Europa-Erweckungs-Kampagnen erzählte.
Inhaltlich kam an diesem Abend wenig rüber; im Grunde mündete alles in einer mit lauter Musik und Laser-Geflimmer aufgebauschten Proklamation von „Europe Shall be saved“. Gefühlt tausendfach wurde es wie ein Mantra gerufen, gebrüllt, gesungen, vom Publikum immer wieder gejubelt und exzessiv gefeiert – so extrem, dass es mich an Gehirnwäsche und Demagogie (Massen-Manipulation) erinnerte.
Schließlich vereinen sich die Gäste von Hartl (u.a. Ekkehart Vetter, Vorsitzender der Ev. Allianz) zu einem gemeinsamen Gebet für die Errettung Europas. Untermalt von sphärischer Trance-Musik versucht jeder Beter den anderen nicht nur an Emotionalität, sondern auch an ekstatischer Beschwörungskunst zu überbieten (abgesehen vom cool bleibenden katholischen Bischof). Abwechselnd dazu wird immer wieder in musikalischen Eruptionen der Slogan „Europe shall be saved“ in die Sinne eingepeitscht. Unter Jubeln, erhobenen Händen, Hopsen und Tanzen verfällt die riesige Publikumsschar in eine Massenbegeisterung.
Das Ganze scheint wie die Herbeibeschwörung einer Massenerweckung. Aber Erweckung zu welcher Religion? Zu einer Party-Religion, wo biblische Lehre und Geisterunterscheidung unerwünscht sind? Zu einem emotional definierten Christsein, das durch ein vermeintliches Geistestaufe-Erlebnis initiiert wird? Oder besteht die Erweckung einfach darin, dass Christen verschiedener Konfessionen alle Schranken aufgeben und sich formal vereinen? Denn das ist die große Vision, die Hartl vorrangig präsentiert: „Die Zeit, wo sich Christen nicht lieben und wertschätzen muss vorbei sein in Europa.“ Alle Christen sollen gemeinsam beten und „evangelisieren“ (mit welchem Evangelium, fragt sich). Hartl zieht das Bild eines Fußballspiels heran und betont immer wieder: „Es gibt EIN Tor und wir sind EIN Team“, und: „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Christen andere Christen kritisieren.“
Aber was, wenn die herbeibeschworene Erweckung eine antichristliche Scheinerweckung sein wird, die Vereinigung falscher Wege? Dann werden viele schon darauf eingestimmt sein.
Das römisch-katholische Evangelium
Etwas vom biblischen Wort vom Kreuz habe ich an diesem Abend nicht gehört. Paulus wollte unter den Korinthern nichts anderes predigen und wissen als Jesus Christus, „und ihn als gekreuzigt“ (1Kor 1,23; 2,2). Was für ein Gegensatz!
Das heißt natürlich nicht, dass Johannes Hartl nie vom Kreuz und von der Sündenvergebung durch Jesus Christus reden würde. Das tut er sehr wohl. Er vertritt zu 100% die Lehre der römisch-katholischen Kirche (RKK), und die beinhaltet auch, dass der Mensch als Sünder erlösungsbedürftig ist und diese Erlösung mit dem Kreuzestod und der Auferstehung Jesu zu tun hat. Und das sagt Hartl in seinen Vorträgen durchaus, wenn auch teils in einer irritierend coolen oder verkürzten Art.
Allerdings ist seine römisch-katholische Heilslehre nicht die biblische Heilslehre. Deshalb gab es ja die Reformation, denn der Katholizismus lehrt ein ähnlich klingendes, aber anderes Evangelium. Der Katholizismus lehrt z.B., dass der Mensch zwar krank an Sünde ist, aber nicht wirklich hilflos tot in Sünde. Er ist nicht völlig verdorben, sondern hat einen guten Kern, der sich zu Gott hinwenden kann. Er muss ein bisschen aufgepäppelt werden, nicht wirklich komplett erneuert. Das Erlösungswerk von Golgatha ist für die RKK nicht ein für alle Mal abgeschlossen und vollbracht, sondern wird im Messopfer täglich wiederholt, wie auch auf der MEHR-Konferenz. Die Aneignung des Heils geschieht „durch Glauben“, das bejaht die RKK, aber unter glauben versteht sie u.a. den Empfang der Sakramente, also rituelle Werke.
Das katholische „Mission Manifest“
Auf der MEHR-Konferenz wurde ein „Mission Manifest“ aus zehn Thesen vorgestellt, die zu einem „Comeback der Kirche“ führen sollen – der katholischen Kirche wohlgemerkt. Das dazugehörige Buch Mission Manifest wurde von Johannes Hartl und anderen einflussreichen Katholiken verfasst und wird auch im evangelikalen Buchhandel vertrieben (SCM, Alpha, Asaph/fontis). Die Thesen klingen zunächst durchaus gut: „1. Uns bewegt die Sehnsucht, dass Menschen sich zu Jesus bekehren … 2. Wir wollen, dass Mission zur Priorität Nr. 1 wird …“ In der 6. These wird sogar den „Impulsen der Reformation“ Wertschätzung entgegengebracht.
Aber Bibeltreue sollten spätestens bei der 7. These hellhörig werden: „Wir müssen die Inhalte des Glaubens neu entdecken und sie klar und mutig verkündigen, sei es nun ‚gelegen oder ungelegen‘ (2Tim 4,2). Wir haben sie durch Gottes Offenbarung empfangen, finden sie gefasst im Urdokument der Heiligen Schrift und lebendig überliefert im Verstehen der Kirche, wie es der Katechismus lehrt.“ (Hervorhebungen hinzugefügt). Das ist ein deutliches Bekenntnis zum ur-katholischen Hauptgrundsatz: Der Inhalt des Glaubens – die eigentliche Lehre – wird von der Kirche definiert. Sie allein hat durch den Papst und seine Bischöfe das Recht, die Bibel auszulegen bzw. passend zu machen und zusätzliche Lehren hinzuzufügen wie die Himmelfahrt Marias, Heiligenverehrung, die Messe, die Sakramente, das Fegefeuer usw. Und diese „Geheimnisse des Glaubens müssen vollständig, ganzheitlich, in rationaler Klarheit und in der Freude der Erlösten verkündigt werden“, so die 7. These weiter.
Einerseits also sollen Evangelikale ihre Lehre nicht so wichtig nehmen oder sie aufgeben, damit Gräben überbrückt werden und Einheit entsteht, aber auf katholischer Seite wird durchaus offen erstrebt, dass zum Christsein nach katholischem Verständnis die gesamte Lehre der Kirche gehört. Und dazu zählen auch die unfehlbaren Dogmen der Gegenreformation, die den evangelischen Glauben von der Errettung allein durch Glauben, allein aus Gnade, allein auf Grundlage der Schrift und alleinmittels Jesus auch heute noch verdammen.
Johannes Hartl ist ein absolut linientreuer katholischer Theologe und seine Gebetshaus-Bewegung ganz offiziell bischöflich gutgeheißen. Mich beunruhigt nicht so sehr, dass da ein junger katholisch-charismatischer Theologe ist, der in seinen eigenen Kreisen gut ankommt; mich beunruhigt aber sehr wohl, dass so viele Bibeltreue entweder so oberflächlich, so naiv, oder so weit vom biblischen Glauben abgerückt sind, dass sie Johannes Hartl und seine katholische Bewegung begeistert annehmen.
„… von diesen wende dich weg“ (2Tim 3,5)
Ja, es geht um Jesus. Aber nicht um den Namen Jesus als Worthülse, sondern um den Herrn Jesus Christus der Bibel. Der oberste Grundsatz lautet doch für uns alle: „Jesus ist der Herr.“ Wenn der Herr in seinem Wort sagen würde, Lehrunterschiede sind nicht wichtig, Hauptsache alle machen gemeinsame Sache, dann wäre das der richtige Weg. Das sagt er aber nicht. Im Gegenteil finden wir im NT immer wieder Aufforderungen, Lehren, Lehrer und „Geister“ zu prüfen und uns ggf. zu distanzieren, denn es kursieren nun einmal Verführungen: „ein anderer Jesus“, „ein anderer Geist“ und „ein anderes Evangelium“ (2Kor 4,11). Prüfen, „Geistesunterscheidung“ (1Jo 4,1; 1Kor 12,10, 1Thes 5,21) und notfalls Distanzieren gehört zu unserem Auftrag als Christen ebenso wie Beten, Evangelisieren und einander Dienen (Jer 23,16; 2Tim 2,21; 3,5; 2Kor 6,17; Röm 16,17, 2Jo 10 u.a.). Eine Prüfung der römisch-katholischen Lehre führt uns zu vier entscheidenden Gründen, warum wir uns von ihr klar distanzieren sollten:
1. Die RKK lehrt ein anderes Evangelium, einen anderen Weg der Errettung. Es ist ein Evangelium der Werke, des „Jesus plus x“ statt „Jesus plus nix“. Sie benutzt die Begriffe Jesus, Glauben und Gnade, meint damit aber etwas anderes als die Bibel. Von den haarsträubenden Lehren des Fegefeuers und des Ablasses mit Sündenvergebung gegen Geld und Leistungen ganz zu schweigen.
2. Der Katholizismus ist eine Religion des Götzendienstes. Er lehrt die Anbetung einer Brotscheibe als „Jesus“ (die Hostie, praktiziert auf der MEHR-Konferenz), kultische Verehrung der „Gottesmutter“ und der Heiligen und deren bildlicher Darstellungen, übernimmt heidnische Kulte und ist offen gegenüber anderen Religionen.
3. Die RKK ist ein Machtapparat, der alle nominellen Christen unter einem Dach vereinnahmen will. Ich befürchte, das hat etwas mit der „Hure Babylon“ aus Offenbarung 17-18 zu tun, und Gott sagt: „Komm heraus aus ihr, mein Volk“ (Offb 18,4; bemerkenswerterweise scheinen also noch Christen darin zu sein).
4. Die katholische und charismatische Art von Glaubensleben ist völlig gegensätzlich zum biblischen Glauben: Bei RKK und charismatischer Bewegung basiert Glauben auf Erfahrung. Spirituelle Gefühle stehen im Zentrum. Man will Gottes Gegenwart schon jetzt unmittelbar erleben und spüren. Das ist Mystik. Biblischer Glaube beruht nicht auf sinnlicher Wahrnehmung („Erhebendes Gefühl“, „Gegenwart Gottes spüren“, Eindrücke, „Stimmen im Herzen“ …), sondern immer auf dem Hören, Lesen und verstandesmäßigen Verstehen von Gottes Offenbarung durch sein Wort (Röm 10,17).
Unsere biblische Lehre – besonders das Evangelium der Errettung allein durch Jesus, allein durch Glauben, allein aus Gnade, allein aufgrund der Schrift – ist unser kostbarster Schatz. Lasst uns diesen Schatz nicht wie Ballast über Bord werfen, um besser auf den Wellen reiten zu können. Dann werden wir Schiffbruch im Glauben erleiden. Lasst uns Katholiken lieben, indem wir ihnen diesen Schatz zeigen, und nicht, indem wir uns ihnen auf dem Irrweg ihrer Institution anschließen.
(Das Beitragsbild dieses Blogposts wurde direkt von der offiziellen Internetseite www.mehrkonferenz.org entnommen)