Offener Brief zum Thema “Livestream”-Gottesdienste
Mit einem weiteren harten Lockdown in Österreich scheint momentan wieder eine Gottesdienstteilnahme lediglich via “Livestream” möglich zu sein–was alles andere als optimal und erstrebenswert ist. Wir haben uns als Gemeindeleitung der Christus Gemeinde Wien diese Entscheidung nicht leicht gemacht, diese Woche unseren Gottesdienst lediglich zu livestreamen. Um jedoch das Beste aus der Situation zu machen, hat Bobby Harnist, einer der Pastoren unserer Gemeinde, diesen offenen Brief mit Tipps, Ermutigungen und Warnungen zu Thema “Konsumieren” von Livestream-Gottesdiensten geschrieben:
“Wir haben eine weitere sehr unbequeme Etappe in der jungen Geschichte unserer Gemeinde vor uns. Wir haben es nicht nur mit persönlichen Einschränkungen bezüglich Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu tun, sondern auch mit dem Unbehagen, uns nicht als Gemeinde treffen zu können. Ich persönlich spüre das Unbehagen sehr stark. Weil wir uns am Sonntagmorgen nicht persönlich als Gemeinde treffen, werden wir den ganzen Gottesdienst nur „live” von zu Hause aus miterleben können. Ich habe ein paar Tipps, eine Ermutigung und eine Warnung zum Thema „Livestream”.
Zuerst die Warnung. Ich persönlich lenke meine Aufmerksamkeit immer nur halb auf Filme, Musik, Vorträge, Podcasts, YouTube-Videos usw. zu. Außerdem beschleunige ich normalerweise das Video/Audio, damit ich den ganzen Kontext schneller bekomme. Die Gefahr, die ich in mir selbst sehe, wenn ich online Inhalte so „konsumiere”, besteht darin, dass ich sehr abgelenkt bin und nur darauf bedacht bin, die Inhalte zu bekommen.
Vielleicht trifft das nicht auf dich zu. Vielleicht hast du kein Problem damit, deine volle Aufmerksamkeit einem „live-streamed” Gottesdienst zu widmen. Wenn das so ist, dann Preis dem Herrn. Aber wenn ihr auch nur annähernd so seid wie ich, dann solltet ihr daran erinnert werden, dass unser Gottesdienst nicht einfach nur dazu besteht konsumiert zu werden.
Unser Gottesdienst war schon immer auf maximale Teilnahme und Interaktion ausgelegt. Bitte versucht, diesen Geist der Teilnahme beizubehalten, während ihr euch uns per Live-Stream anschließt. Es wird Zeiten zur Interaktion geben. Es könnte unangenehm sein, alleine oder mit deinem Ehepartner zu interagieren, aber das ist in Ordnung. Bitte bemühe dich nach Kräften, den Geist der Anbetung und Konzentration auf unseren Herrn und deine Brüder und Schwestern in Christus beizubehalten. Lasst uns füreinander um Ausdauer beten, solange wir uns auf diese Weise „versammeln” müssen.
Zweitens, die Ermutigung. Umarme das Unbehagen. Mache es dir nicht bequem. Persönlich war es mir sehr unangenehm, nicht in unseren öffentlichen Versammlungen in den letzten Wochen zu singen. Es war mir unangenehm, eure lächelnden Gesichter nicht zu sehen. Es war mir unangenehm, euch nicht zu umarmen oder euch die Hände zu schütteln — ja, selbst für einen introvertierten Menschen wie mich sind diese Dinge unangenehm. Meine Ermutigung ist es, bleibt bei dem Unbehagen. Ergebt euch nicht der „neuen Normalität”. Es ist normal für Christen, sich persönlich zu treffen. Es ist normal für Christen, zusammen zu singen. Es ist normal für die Christen, einander Liebe und Freude auszudrücken. Lasst es unbequem für euch bleiben! Und betet für die schnelle Rückkehr zu der normalen und wahren christlichen Gemeinschaft.
Drittens, ein paar Tipps:
Bete: Während dieser Zeit sollten wir noch mehr Zeit im Gebet verbringen. Du wirst an diesem Sonntag nicht zum Gottesdienst in die Gemeinde fahren, nimm dir also vielleicht fünf Minuten dieser Zeit, um ernsthaft für jedes Mitglied und unsere Kinder in der Gemeinde zu beten. Bete für die Herzen derer, die über unseren Livestream stolpern könnten. Bete für dein eigenes Herz. Bete um Weisheit für uns Pastoren und Leiter, die schwere Entscheidungen treffen müssen. Bete für die Einheit unserer Gemeinde, besonders in dieser Zeit.
Plane: Was wirst du tun, um während des Livestreams engagiert und involviert zu bleiben? Denke über einen Plan nach und setze ihn um. Ich werde versuchen, noch vor Sonntag eine Gliederung der Predigt zu entwerfen, die ihr euch dann ausdrucken und benutzen könnt, um dem Gottesdienst und vor allem der Predigt besser zu folgen und involviert zu bleiben. Aber vielleicht wirst du ja auch deine Bibel geöffnet und auf deinem Schoß haben. Vielleicht wirst du auch einen Notizblock offen neben dir und einen Bleistift in der Hand haben. Wähle einen Ort in deinem Zuhause, wo du am wenigsten abgelenkt wirst. Schalte alle Benachrichtigungen aus. Sorge dafür, dass die Kinder gut beschäftigt sind. Mache einen Plan!
Bete: Habe ich schon Beten erwähnt? Ja, das habe ich. Aber Brüder und Schwestern, betet weiter. Betet, dass der Geist durch diesen unvollkommenen Ersatz wirkt. Betet, dass euer Herz während des ganzen Gottesdienstes ermutigt und ermahnt wird. Vielleicht ruf später am Tag ein anderes Mitglied an, um gemeinsam zu beten. Betet für die Einheit unserer Gemeinde.
Ich höre von so vielen Gemeinden, die sich wegen der Entscheidungen, die zur Zeit getroffen werden, gespalten haben. Brüder und Schwestern, dies ist keine Zeit in der Gemeinde zu kämpfen. Dies ist nicht die Zeit für Stolz. Dies ist die Zeit für das Gebet. Dies ist die Zeit für die Einheit. Lasst mich euch diese Worte Christi ans Herz legen, die Er für Sein Volk gebetet hat:
„Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, damit sie zu vollendeter Einheit gelangen, und damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst.”
Johannes 17, 20-23