Interview Wolfgang Nestvogel
Im Jahr 2010 interviewte ich einige evangelikale Leiter zum Zustand der Kirche, Evangelium und persönlichem. Diese Interview Serie werde ich hier neu auflegen. Wolfgang Nestvogel Geboren 1961 in Hannover; verheiratet, 2 Kinder. Studium der evangelischen Theologie in Krelingen, Göttingen und Tübingen. Pfarrer an evangelischen Kirchengemeinden in Borstel (Nienburg) und Osnabrück. Promotion an der Theologischen Fakultät der Universität Nürnberg/Erlangen mit einer Arbeit über “Die Souveränität Gottes und die Verantwortung des Menschen als homiletische Aufgabe” (2000). Dozent für Praktische Theologie an der Akademie für Reformatorische Theologie (ART) in Hannover (2001-2010), seit 2005 zusätzlich deren Rektor. Pastor der Bekennenden Evangelischen Gemeinde Hannover. (Mehr Information über seine Person und seinen Dienst gibt es auf www.wolfgang-nestvogel.de)
Es kommt darauf an, was man unter „Kirche“ versteht. Wenn ich dabei an die von einer liberal-postmodernen Hierarchie dominierte Evangelische Volkskirche in Deutschland denke, ist deren größte Not der Ausfall lebendigen Glaubens an den auferstandenen Jesus. Damit behaupte ich nicht, daß es innerhalb dieser Institution keine echten Christen mehr gäbe. Leider aber sind viele Pastoren und Kirchenleiter im biblischen Sinne „ungläubig“, was seine Ursache in der Vorherrschaft der historisch-kritischenTheologie hat, die den Zugang zur Bibel nicht öffnet, sondern verschließt, mehr noch: zerstört. Meinen wir mit „Kirche“ dagegen die Gemeinde Jesu Christi, von der unser Herr versprochen hat, daß selbst die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden (Mt. 16,18), dann gehört zu deren größten Nöten, daß sie seit Jahrzehnten an einem fortschreitenden theologisch-lehrmäßigen Substanzverlust leidet. Offenkundig unbiblische Anschauungen, wie das Emerging-Church-Konzept oder die sog. „neue Paulus-Perspektive“ hätten in evangelikalen Kreisen niemals eine solche Akzeptanz finden können, wenn deren Urteilskraft nicht vorher schon durch das „Ausfransen“ der biblischen Lehre unterminiert worden wäre.
Auf keinen Fall eine konfessionalistische Engführung, wie sie zur Zeit an einigen Stellen popagiert wird. Weder an Calvins noch an Luthers Wesen wird die bibeltreue Bewegung genesen, so hilfreich diese Glaubensväter auch durch ihre theologische Arbeit für uns sein können. Nur die Bibel selbst hat aber die Kraft und Vollmacht, uns zurechtzubringen. Wir brauchen – wenn ich das so abgekürzt sagen darf – Exegese dringender als Kirchengeschichte. Luther hat deshalb vor allem anderen auf die efficacia scripturae gesetzt, auf die Wirkkraft und das Durchsetzungsvermögen der Schrift selbst. Sie müssen wir hören, auslegen und dann mit Leidenschaft predigen. Am Ende hängt alles an einer von Gott beglaubigten Predigt und diese wiederum an ihrer Treue zu Jesus und seinem Wort. Deshalb ist auch das Eintreten für die Irrtumslosigkeit der Bibel kein überflüssiger Luxus, sondern Dienst am Evangelium!
3. Welche 5 Bücher haben dich am meisten im Glauben weitergebracht oder beeinflusst und warum? (neben der Bibel)
So leicht lassen sich keine Top-Five von den vielen guten abheben, deshalb möchte ich die folgenden Titel eher exemplarisch verstanden wissen: Da ist Ian H. Murrays zweibändige Biographie über Martyn Lloyd-Jones (The First Forty Years, The Fight of Faith), die zeigt, daß der theologische Kampf für die Wahrheit viel Liebe, gute Freunde, und vor allem eine enge Verbindung zu Jesus braucht. Die Predigten von Wilhelm Busch haben mich als jungen Pastor inspiriert und angespornt, als ich meine ersten evangelistischen Gehversuche in einem liberalen volkskirchlichen Umfeld unternahm und mir gezeigt, was liebevolle Attacke auf den Unglauben bedeutet. Auch Spurgeons „Ratschläge für Prediger“ und John MacArthurs Bibelkommentare (gelesen unter dem Eindruck seiner via Cassetten aufgesogenen Predigten) haben Spuren hinterlassen. Für das persönliche Gebetsleben leisten Ole Hallesbys „Vom Beten“ und D.A. Carsons „Call to Spiritual Reformation. Priorities from Paul and His Prayers“ immer noch unschätzbare Dienste.
4. Wo sind für dich Grenzen der Einheit unter “bekennenden” Christen (Wo fängt Irrlehre an und was sind Auslegungsspielräume)?
Das ist eine der berühmten 1000-Dollar-Fragen, bei denen man sich in der Kürze eines Interviews nur „in die Nesseln“ setzen kann. Die Grenze der Einheit wird nicht von uns gezogen, sondern von Jesus bestimmt (Johannes 17, vgl. Eph. 4) und ist für uns nicht immer sichtbar. Wer wirklich zu Jesus Christus gehört und durch ihn Gottes Kind geworden ist, gehört nun zur Familie. Dennoch kann man, das gibt’s auch im „wirklichen Leben“, nicht immer mit allen Verwandten gleichzeitig in ein und derselben Ortsgemeinde zusammenarbeiten. Ich habe viele Freunde und wunderbare Glaubensbrüder in anderen evangelischen Denominationen als meiner eigenen, die laden mich sogar zu Predigten und Vorträgen ein, auch wenn wir niemals auf Dauer in ein- und derselben Ortsgemeinde zusammenwirken könnten. Dennoch freuen wir uns auf jede Begegnung, beten mit- und füreinander und wissen uns durch den Herrn Jesus verbunden. Das nenne ich Einheit, auch wenn diese sichtbar erst im Himmel vollendet werden wird. Dazu habe ich viel bei Martyn Lloyd-Jones gelernt. Obwohl er für seine ausgewogene Erwählungslehre bekannt war und sich in mancher Hinsicht als „Reformierter“ verstand, ist er immer dafür eingetreten, auch „Arminianer“ als Brüder und geistliche Weggenossen anzuerkennen. (So wie auch Whitefield im 18. Jahrhundert nicht gezögert hat, Wesley als begnadeten Verkündiger anzusehen.) Obwohl Lloyd-Jones die Mündigentaufe lehrte, pflegte er enge Dienstgemeinschaft z.B. mit dem evangelikalen Anglikaner James I Packer. Eindeutig abgegrenzt hat Lloyd-Jones sich dagegen zu recht gegenüber dem Katholizismus, weil dort die Grundpfeiler der rettenden Evangeliums verrückt und verfälscht werden. Die schwierigste Verhältnisbestimmung ist immer wieder gegenüber den sog. „Charismatikern“ zu leisten. (Hier hätte auch Lloyd-Jones sich nach meiner Überzeugung noch kritischer positionieren sollen.) Einerseits gibt es auch unter denen persönlich aufrechte und einsatzbereite Jünger Jesu, andererseits verleitet der dort vorherrschende Denk-und Verkündigungsansatz nolens volens dazu, die Bindung an die Bibel und das Vertrauen in deren Genügsamkeit aufzuweichen. Dabei denke ich nicht nur an Radikalcharismatiker wie Benny Hinn, Reinhard Bonnke oder Todd Bentley, sondern auch an eher gemäßigte Vertreter wie Wolfram Kopfermann. Über deren Herzenshaltung zu urteilen, steht mir nicht zu. Aber von einer Kooperation mit ihren Institutionen und Glaubenswerken würde ich dringend abraten.
5. Was beschäftigt dich momentan persönlich am meisten?
Fragen Sie das lieber meine Frau. Die beschäftigt mich persönlich sicher am meisten…, und natürlich meine beiden Kinder: Lukas (der gerade ein geisteswissenschaftliches Studium in Göttingen begonnen hat) und Tabea (die sich auf der Zielgeraden des Abiturs befindet). Die drei sind mein persönlicher Mikrokosmos und Dauer-Intensiv-Gesprächskreis. Schon gut, nun zu dem, was Sie wahrscheinlich wissen wollten: Der regelmäßige Predigtdienst in unserer Bekennenden Evangelischen Gemeinde in Hannover (www.beg-hannover.de ), die Vorarbeiten zu einem Buch über die Grundlagen der evangelikalen Bewegung und der Aufbau eines bibeltreuen Fernstudiums für Theologie und Gemeindedienst. Ich danke Gott immer wieder, daß ich eine so spannende Arbeit tun darf.
6. Was muss ein Mensch glauben, um errettet zu werden? (Natürlich an Christus was muss der Inhalt sein)
Er muß über Jesus glauben (d.h. als wahr anerkennen), was erforderlich ist, um an Jesus als persönlichen Retter glauben zu können. Zu ersterem gehören die biblisch glasklar definierten essentials: daß Jesus Gottes Sohn ist, der in diese Welt kam, um als das sündlose Opferlamm stellvertretend jene Strafe auf sich zu nehmen, die ich für mein Sündersein verdient hätte und die mich auf ewig zu recht in die Hölle gebracht hätte. (Zu diesem Glaubensinhalt gehört übrigens auch die reale Jungfrauengeburt, da sie untrennbar mit dem Gottsein und der Sündlosigkeit Jesu verbunden ist.) Im stellvertretenden Sühnetod Jesu hat der heilige Gott selbst seinem Anspruch Genüge getan und in dessen Auferstehung hat er Sünde, Tod und Teufel wirksam besiegt. Dieses als wahr anzuerkennen, ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bestimmung rettenden Glaubens. Dazu gehört dann auch, daß ich mich diesem von der Bibel offenbarten Jesus persönlich anvertraue, seine Vergebung vertrauensvoll ergreife und ihn als meinen persönlichen Herrn und Gott anbete (Joh 20,28).
7. Glauben Muslime an den gleichen Gott und haben nur ein falsches Gottesbild? (da es ja nur einen Schöpfer gibt und sie ja auch den meinen?)
Der Adressat, an den die Muslime ihre Gebete richten, hat mit dem lebendigen Gott der Bibel nichts zu tun. Er ist nicht nur anders als dieser, sondern dezidiert gegen ihn gerichtet. Der Adressat muslimischer Gebete hat keinen Sohn und bringt kein persönliches Opfer, um das Problem der Schuld zu lösen. Alles, was Jesus und sein Heilswerk ausmacht – seine Gottessohnschaft, Menschwerdung, sein stellvertretenden Tod und seine leibliche Auferstehung – wird vom Koran nicht nur nicht gelehrt, sondern vielmehr: abgelehnt, diffamiert und als mit dem Willen Allahs unvereinbar erklärt. Wer aber Jesus als Sohn Gottes verwirft, hat laut Bibel keine Chance zu Gott zu kommen. Also ist der Islam per definitionem gegen den christlichen Glauben ausgerichtet, weil er den einzigen wahren Heilsweg verwirft und vielmehr noch als Gotteslästerung diffamiert. Der Allah des Korans ist darum ein Gegengott zum heiligen Gott der Bibel, ein Götze, eine dämonische Macht, welche Millionen von Menschen in ihren Bann gezogen hat und den wahrhaftigen Gott der Bibel als Lügner denunziert. Daß dieser Götze sich mit einigen Eigenschaften und Taten (Schöpfung!) des wahren Gottes tarnt, macht ihn umso gefährlicher. Wer in Islam und Christentum ein- und denselben Gott am Werk sehen will, hat das Wesen des Islam letztlich nicht verstanden. Umso dringender unsere Aufgabe, auch Muslime mit Jesus bekanntzumachen und sie liebevoll mit seinem Evangelium zu konfrontieren.
Hallo!
Pastor Dr. Nestvogel warnt im Bezug auf die vielfältigen Gefahren der Kirche heute vor einer “konfessionellen Engführung”. Ich fühle mich angesprochen, da ich als reformierter Christ den Wert und die Wichtigkeit von Bekenntnissen schätze.
Reformierte Kirchen sind konfessionelle Kirchen. Das heißt, das konkrete Glaubensbekenntnisse=Konfessionen (lateinisch confessio ‚Geständnis‘, ‚Bekenntnis‘) existieren.
Bekenntnisse sind Aussagen des Glaubens, die durch eine Kirche angenommen, auf der Schrift basieren, und in einer spezifisch-historischen Situation verfasst wurden. Reformierte Kirchen sehen ihre Wurzeln in der Kirche der ersten Christen, stehen in der Tradition der Reformation und bekennen die Irrtumslosigkeit der Schrift.
Verrücke nicht die uralte Grenze, die deine Väter gemacht haben! Sprüche 22:28
Bereits die ersten Christen haben den ihnen- durch die Apostel- überlieferten Glauben in prägnanten Formulierungen bekannt. Vielleicht eins der frühsten Bekenntnisse überhaupt, findet man bspw. in 1Kor 15:1-8. Mehr dazu hier nachzulesen: http://www.apologet.de/bekenntnisloses-christentum/
SDG, Andreas