Gemeindegründung – 5 – Lernen und Planen – Die Philosophie des Dienstes
Nachdem die Vision der Gemeindegründung verinnerlicht ist, liegt der nächste Schritt im Kennenlernen des Kontextes und der konkreten Planung des Dienstes. Zunächst ist es wichtig, in das Umfeld, in dem gegründet werden soll, selbst einzutauchen. Mit den Menschen, die man erreichen möchte, muss man erst leben, um sie verstehen und ihnen das Evangelium klar und effektiv kommunizieren zu können. Demografische Daten können hilfreich sein, ersetzen aber keinesfalls persönliche Einblicke in die Gesellschaft. Begib dich auf einen Spaziergang durch deine Nachbarschaft und beobachte bewusst: Welche Gebäude stehen hier? In welchem Zustand sind sie? Welche Kunst findest du? Wie offen sind die Menschen für Gespräche? Was kannst du dadurch über deine Umgebung lernen? Wie der barmherzige Samariter sollten wir uns fragen : Welche Bedürfnisse und Nöte gibt es? Welche Dienste und Hilfestellungen fehlen? Wie kann diese Kluft überbrückt werden?
- WER sind die Leute die hier leben?
- WIE sind die Leute die hier leben?
Die Leute, die man am liebsten erreichen will, sind sogenannte “Bringer”. Tim Keller versteht darunter junge Bekehrte, die noch viele unbekehrte Freunde haben. An zweiter Stelle sind die “Kommer”, also Menschen, die schon lange Christen sind und einfach nur zu den verschiedenen Angeboten kommen. Am wenigsten hilfreich sind die “Unzufriedenen”, die mit jeder Gemeinden, in der sie waren, unzufrieden waren und diese Unzufriedenheit dann auch in die Gemeindegründung mitbringen.
Die Philosophie des Dienstes
Die Philosophie des Dienstes meint den Brückenschlag zwischen theologischer Überzeugung und der konkreten Anwendung auf die Situation. Es geht um das “Wie” der Gemeinde. Lass uns einen Schritt zurück gehen und vier Fragen an die Gemeinde stellen:
1.Theologie und Identität der Gemeinde:
Wer sind wir? Wer ist die Gemeinde?
Die Gemeinde ist die von Gott herausgerufene Schar der von Christus durch sein Blut erkauften und in der Taufe gewaschenen Versammlung der Gläubigen, die vom heiligen Geist befähigt wird, den Auftrag ihres Herrn auszuführen. Wir sind eine lokale Manifestation, eine Gemeinde oder Versammlung dieser Schar. Hier zählen auch Tradition, Bekenntnisse und das Schriftverständnis der Gemeinde dazu.
2. Mission, Ziel und Zweck der Gemeinde: Warum gibt es uns?
Der Auftrag der Gemeinde “Gehet hin und machet zu Jüngern alle Nationen und tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch gesagt habe” wird an den Zeichen der Gemeinde sichtbar. Dazu gehören eine reine Predigt des Evangeliums, die Verwaltung der Sakramente, Jüngerschaft und die Zucht der Gemeinde. Es gibt uns, weil noch nicht jeder das Heil in Christus erkannt hat und ihm die Ehre gibt. Es gibt uns, weil die Schöpfung noch nicht vollständig wiederhergestellt ist und Leid und Not in der Welt erst noch gelindert und aufgehoben werden müssen.
3. Vision und Philosophie des Dienstes: Wie werden wir unsere Stadt für Christus erreichen?
Die Antwort auf diese Frage entspricht der Philosophie unseres Dienstes.
Es geht darum, die Mission der Gemeinde auf deine Situation herunter zu brechen. Alle Gemeinden sollten in ihrer Mission der Gemeinde (Anbetung durch Evangelisation, Jüngerschaft, Sakramente, Dienste der Barmherzigkeit, etc.) übereinstimmen, haben aber dennoch eine gewisse Freiheit die Prinzipien durch biblische Weisheit in den jeweiligen Kontext zu übersetzen. Dazu gehören Fragen wie: Zu welcher Uhrzeit wird der Gottesdienst am Sonntag stattfinden? Welche Lieder werden wir singen? Wo werden wir anbeten? Welche Dienste der Barmherzigkeit braucht unsere Nachbarschaft? Wie und wo können wir Ungläubige erreichen? Wo und wie werden wir Gemeinschaft haben? Es geht darum, die Mission der Gemeinde möglichst effektiv zu gestalten um alle Nationen zu lehren, wie sie Jesus gehorchen müssen.
Wir denken dabei noch allgemeiner als bei der letzten Frage.
4. Handeln: Was tun wir, um unser Ziel zu erreichen?
Die Antwort auf diese Frage ist eine Folge unserer bisherigen Antworten. Hier geht es um konkrete Ziele, Arbeitsbeschreibungen, Komitees, Dienste, Aktionen und Veranstaltungen mit Name, Zeit und Datum.
Die Philosophie des Dienstes bestimmt die Atmosphäre einer Gemeinde. Gemeinden werden sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Umgebung und Zusammensetzung unterscheiden, obwohl sie zum Beispiel das gleiche Glaubensbekenntnis und die gleiche Kirchenordnung verfolgen. Dies ist auch das, was eine Gemeinde, zu meiner Gemeinde macht. Dadurch, dass jede Gemeinde ein Stück individuell ist, fühlt sie sich auch wie ein zu Hause an.
Es ist wichtig, hier die Gefahr anzusprechen, dass wir Gemeinde genau so gut nach eigenem Geschmack und Willkür gestalten können, ohne dabei auf biblische Prinzipien und unseren Kontext zu achten. Die Bibel gibt uns einerseits unverhandelbare Vorgaben zur Form von Gemeinde, Gottesdienst und Dienst. Anderseits lässt sie viel Spielraum, den Dienst kreativ zu gestalten. Allerdings nur dann, wenn diese Freiheiten von biblischen Prinzipien geleitet sind und auf die bestmögliche Erfüllung unserer Mission abzielen.
Tim Keller gibt uns drei Prinzipien für Gemeindewachstum an die Hand:
- Gesunde Lehre
- Eine kontextualisierte Philosophie des Dienstes
- Kontinuierliche Erneuerung durch den Heiligen Geist
Dieses Dreiergespann vergleicht er mit einem Tomatengarten. Erstens braucht es den richtigen Samen. Ohne Tomatensamen werden keine Tomaten wachsen. Zweitens braucht es die richtigen Bedingungen: Lage, Erde, Wasser, Sonne, Dünger, Zaun und das Jäten von Unkraut. Am Ende wird das Wachstum allerdings nur durch die Erneuerung des Heiligen Geistes kommen, den wir nicht kontrollieren, sondern nur im Gebet bestürmen können (1. Korinther 3,5-9).
Vergleiche Church Planter Manual von Tim Keller.