Gemeindegründung – 6 – Eine Philosophie des Dienstes entwickeln

Nach dem wir im letzten Teil definiert haben was eine “Philosophie des Dienstes” ist machen wir uns heute daran diese zu schreiben. Die Grundlegende Frage ist: “Wie gehorchen wird der Bibel hier und heute?” Wir wollen wieder die drei Aspekte dieser Frage anschauen diesmal auf die Philosophie des Dienstes bezogen. Wir können die Fragen von Tim Keller folgendermaßen ausführen:

1. Wie kann ich der Bibel hier und heute gehorchen?

Die Lehre der Bibel über die Gemeinde “Ekklesiologie” von Ekklesia (die Herausgerufene, Gemeinde, Versammlung) ist ein großes Feld das entdeckt werden will. Die Gemeinde wird als Familie, Tempel, Haus, Herde, Nation, Priesterschaft, Gemeinschaft, Heerschar, Körper, Organisation, Organismus, Volk und noch viel mehr beschrieben. Alles was die Bibel über die Gemeinde sagt soll in unsere Philosophie des Dienstes eingebaut werden.

2. Wie kann ich der Bibel hier und heute gehorchen?

Was sind die spezifischen Sünden, Probleme, Gelegenheiten auf die der biblische Auftrag angewandt werden muss. In einer Universitätsstadt mit vielen skeptischen Intellektuellen wird eine Gemeinde z.B. mehr auf Lehre, Apologetik und christliche Sicht von Kunst, Wissenschaft, Politik und Ethik setzen als in einer Arbeiterstadt mit Armuts- und Suchtproblemen wo Dienste der Barmherzigkeit, Gemeinschaft, Rechenschaft, Seelsorge und Therapie gefragt sein werden.

3. Wie kann ich der Bibel hier und heute gehorchen?

Wo sind unsere Gaben, Fähigkeiten, Kompetenzen, Schwächen und Ressourcen? Wie können wir diese einsetzen um die Mission zu erfüllen aus Liebe zu unserem Nächsten und zur Ehre Gottes.

Diese drei Perspektiven stehen auch nicht alleine sondern beeinflussen sich gegenseitig. Je besser wir die Bibel kennen desto besser verstehen wir unseren Kontext und desto besser verstehen wir auch uns selbst und unsere Gaben und Schwächen. Gleichzeitig kann uns ein besseres Verständnis unserer Kultur und Gesellschaft auch neue Perspektiven auf die Bibel und uns selbst eröffnen. Nach dem Theologen John M. Frame (alle seine Bücher online als PDF gratis verfügbar) kann alles menschliche Wissen auf folgende drei Arten verstanden werden. Das normative, offenbarte Wissen von Gott (die Bibel), das Wissen um unsere Situation und das Wissen um uns selbst. Diese drei Perspektiven zusammen zu betrachten hilft uns dabei Bedeutung und Anwendung oder Theorie und Praxis zusammen zu halten. Wenn wir diesen “triperspektiven” Ansatz auf die Philosophie des Dienstes anwenden sehen wir das jede Gemeinde anders aussehen muss weil sie in einer anderen Umgebung ist und andere Gaben und Kompetenzen mitbringt.

Du kannst dieses Diagramm als Vorlage verwenden und für deinen Kontext ausfüllen. Was sagt die Bibel verbindlich über Gemeinde? Was ist dein Kontext? Welche Gaben hast du und deine Leute?

Elemente der Gemeinde

Beginnen wir oben bei Theologie und Ekklesiologie. Theologie setzt sich zusammen aus Theos (gr. Gott) und Logos (gr. Wort, Sprache, Denken, Logik) und beschreibt das Denken über Gott. Ekklesiologie kommt von Ekklesia (gr. Gemeinde, Versammlung) und auch Logos. Es geht uns darum zu fragen was sagt Gott in seinem Wort über Gemeinde. Was ist der Sinn, Ziel, Zweck, Ausrichtung, Ablauf, Stil der gefordert wird. Dies sollte man grundsätzlich aus der ganzen Bibel entwickeln aber wir bauen jetzt auf unser Studium von Apostelgeschichte 2 auf. Mit Tim Keller haben wir festgehalten, dass zur Gemeinde folgende Elemente gehören:

  1. Anbetung, Gebet, Gottesdienst
  2. Lehre, Jüngerschaft und Bildung
  3. Gemeinschaft und einander mit seinen Gaben dienen
  4. Evangelisation und Mission
  5. Soziale Dienste und Barmherzigkeit

Diese Elemente sind nicht verhandelbar und müssen von jeder Gemeinde ausgedrückt werden. Aber jede Gemeinde wird aufgrund ihres Kontexts und ihrer Gaben einen gewissen Fokus haben. Auch der Ausdruck dieser Elemente ist von den Umständen abhängig. Welche Struktur wird eine Gemeinde haben um Jüngerschaft und Gemeinschaft zu fördern? Werden alle nahe beieinander wohnen sodass sich Gemeinschaft einfach im Alltag ergibt? Wird eine Infrastruktur von Kleingruppen aufgebaut um diesem Auftrag gerecht zu werden? Wie soll diese Kultur der Jüngerschaft aussehen? Alle diese Fragen muss ein Gemeingründer unter Berücksichtigung seiner Gaben und seines Kontexts beantworten und viele mehr. Tim Keller führt einige solcher Fragen und Impulse zum weiter denken an.

Wie wird Evangelisation und Mission gestaltet? Ist unser Vorgehen Leute zum Gottesdienst einzuladen und sie dann kennen zu lernen (Hauptportal – frontdoor approach) oder werden primär die Freundschaft außerhalb geschlossen und die Leute durch die Seitentüren in den Gottesdienst gebracht (sidedoor approach). Wie werden Dienste der Barmherzigkeit darin integriert? Wie zeigen wir die Liebe Christi unserer Umgebung? Können wir dort leben wo wir auch anbeten und Gottesdienst feiern?

Wie wird der Predigtstil sein? Haben wir einen sehr intellektuellen und skeptischen Kontext so werden wir vom Stil eher konzeptionell und analytisch predigen um die Menschen intellektuell anzusprechen. Haben wir eher einfache Leute vor uns kann es besser sein einen intuitiven von der Erfahrung der Zuhörer ausgehenden Stil zu pflegen. Ein persönlicher konkreter (konkret auf die Zuhörer bezogene Anwendungen etc.) wäre eine weitere Möglichkeit für eine von Aktivismus und Hilfsdiensten geprägte Zuhörerschaft. Dem nahe steht die Frage ob lehrmäßige Unterschiede oder Besonderheiten nach vorne gestellt werden oder eher die gemeinsamen Grundlagen aller Christen betont werden und ein versöhnlicher Ton angeschlagen wird. Was soll betont werden? Was müssen die Zuhörer hören? Wo stehen diese? Sind sie eher sektiererisch und müssen zur Einheit gerufen werden oder sind sie kompromittiert und müssen zur Absonderung gerufen werden?

Wird der Anbetungsstil (die Liturgie) sehr formal oder informal sein? Wie sind die Erwartungen der Nachbarschaft? Was sehen wir als die biblische Norm hier? Wird die Musik traditionell oder modern sein? Wird das mitmachen aller Besucher gefördert und gewünscht?

Wie wird der Leitungsstil sein? Bestimmend, autoritär als wohlwollender Diktator? Inspirierend und gewinnend als Verkäufer? Konsensus getrieben auf mehreren Schultern verteilt? Delegierend mit viel Freiheit für die Mitarbeiter? Du kannst ja euren Stand in dem Diagramm unten einschätzen, ich habe unseren dzt. Stand schon eingetragen.

Diese Fragen zu beantworten und auszuarbeiten ist eine gewinnbringende Aufgabe und schafft Orientierung für die Leitung und die Gemeinde.

Evangeliumspredigt

Die drei Perspektiven mit denen wir begonnen haben können wir nach Keller auch auf die Evangeliums Präsentation und die Predigt anwenden. Wir sehen wie Paulus sich auf das Denken (die Weltanschauung oder den Bezugsrahmen) seiner Zuhörer einlässt. In Apostelgeschichte 16 spricht er zu den “gottesfürchtigen”(im Kontext Fachwort für Heiden die an den jüdischen Gott glaubten) Frauen am Fluss. Auf dem Marktplatz spricht er mit den Intellektuellen seiner Zeit (Apostelgeschichte 17) und in den Synagogen mit den religiösen Menschen. Er holt die Leute dort ab wo sie sind. Er spricht ihre Fragen und Nöte an und lässt sich auf ihren Referenzrahmen ein um dann das Evangelium als Antwort und als Herausforderung präsentieren zu können. Er identifiziert die falsche Kernüberzeugung seiner Zuhörer und knüpft daran an.

3 Testfälle für die Gemeindegründung aber auch für die Predigt sind unserem Ansatz nach:

  1. Ist sie biblisch fundiert? – Treu
  2. Ist sie verständlich, relevant für die Kultur kommuniziert? – Klar
  3. Füllt sie eine echte Lücke ein echtes Bedürfnis? – Relevant

Der Gottesdienst ist nicht primär für die Ungläubigen die man erreichen will. Er ist aber auch nicht primär für die Christen die man erbauen will sondern er ist zuerst für Gott. Wenn er im Mittelpunkt steht, gepredigt, angebetet und gelobt wird dann werden beide Gruppen zu ihm hingezogen. Diese heute oft vergessene Grundlage wird an einigen Stellen in der Bibel entwickelt (Apg 16,25, 1. Kor 14,24-25, Jes 2,2-4 56,6-8, Apg 2). Wir sehen Ungläubige die in der Anbetung dabei sind und verstehen können aber davon herausgefordert werden müssen. Predige nicht nur für die Leute die da sind sondern auch für die Leute die du wünschtest, dass sie da wären. Dann werden sie auch eingeladen werden und kommen.

Diese Fragen und Punkte auszuarbeiten sollte unsere Philosophie des Dienstes ergeben. Beim nächsten Mal wollen wir dies alles in einen Plan zusammenfassen.

Vergleiche Timothy Keller Church Planter Manual.

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