Warum ist ein Glaubensbekenntnis unumgänglich?
Während ich in den Anfangsjahren meines Glaubenslebens das reformatorische Erbe, das ich als in eine lutherische Gemeinde hineingeborener Mann hatte, als überflüssigen Ballast ansah, wird es mir jetzt mit jedem Jahr wertvoller. Es hat für mich zugegeben sicher zehn Jahre gedauert, bis ich in der Tradition die Weisheit von vielen Dingen sah und mich von einigen unbiblischen evangelikalen Klischees lösen konnte. Ich bin noch immer aus vollem Herzen evangelikal im ursprünglichen Sinn und Gebrauch des Wortes (Unfehlbarkeit der Bibel, stellvertretendes Sühneopfer, Rechtfertigung allein aus Gnade, allein durch den Glauben, etc.), das heißt aber nicht, dass ich moderne Definitionsveränderungen und -Entwicklungen mittragen muss. Unter Dingen, von denen ich mich lösen musste, verstehe ich hier vor allem: Privatglauben (statt persönlichem und gleichzeitig öffentlichem Glauben), unbiblisches Verständnis von Stillezeit, menschenzentrierte Gottesdienste, niedrige Sicht von Gemeinde, zwei Stufen Heiligungs-Ansichten, Überbetonung von zweifelhaften Erfahrungen, etc.
Ein weiterer Punkt war sicher ein gewisses Maß an postmodernem Denken, das jeden einzelnen zum Papst für sich selbst machte und einen gemeinsamen Glaubenskonsens erodieren bzw. schwammig werden ließ. Anstatt gemeinsam um die Wahrheit zu ringen, die ja für jeden gleich ist, wurde jedem seine Meinung gelassen und eine Konfrontation war oft nur eine Meinung gegen eine andere.
Vor diesem Hintergrund habe ich vor kurzem folgenden (englischen) Podcast gehört aus dem ich hier einige Punkte bringen möchte. Der Titel lautet Episode 0.1: Why Confessionalism? von der Reformed Presbyterian Church of Northamerica Winchester.
- Biblische Evidenz und Beispiele für Glaubensbekenntnisse
- 1 Tim 4,6 6,3 Das Wort des Glaubens und die gute Lehre hat einen Umriss und dieser ist bekannt.
- 1. Joh 4,3 Das Bekenntnis von Jesus ist der Maßstab zur Unterscheidung der Geister.
- Phil 2,6-11 Gutes Beispiel für ein Bekenntnis über Christus. Warum sollten wir was Paulus tut nicht fortsetzen?
- 2 Tim 1,13 Haltet die “Form” gesunder Worte/Lehre fest.
- Titus 2,15 Lehren und Zurechtweisen – setzt einen Standard voraus (was lehrt die Bibel, nicht nur Prooftexting)
- Röm 10 Mit dem Herzen glaubt man und mit dem Mund bekennt man. Eine ausgedrücktes Bekenntnis ist die natürliche Folge von Glauben im Herzen.
- Phil 1,27 Gleich-Gesinnt-Sein setzt einen ausgedrückten zugestimmten Standard voraus
- gute weiterführende Bücher “Welcome to a Reformed Church”, “The Credal Imperative”
- Praktische Gründe
- Eine Kultur von Verantwortlichkeit und Rechenschaft wird etabliert.
- Schutz vor falscher Lehre.
- Schutz vor falschem Streit und Konflikten.
- Es fördert Einheit in der Wahrheit (Beispiel letzte E21 Konferenz – “Das Wort wurde Fleisch”)
- Es ist ehrlich als Gemeinde seine Sicht der Bibel zur Überprüfung und Korrektur anderer offen zu legen.
- Es schützt die Gemeinde vor den Lehrenden.
- Es erfordert Mut sich festzulegen und schützt vor Unstetigen.
- Selbst die Aussage “Kein Bekenntnis außer die Bibel, kein Gesetz außer Liebe” ist in sich ein Bekenntnis, nur eben ein schlechtes.
- Werkzeug zur Lehre von Jungläubigen und Kindern.
- Historischer Schutz und historische Perspektive (über Generationen getestet und für gut befunden)
- Setzt der Macht der Gemeinde auch Grenzen
- Umfang nicht zu ausführlich und nicht zu minimalistisch. Beispiele historischer Bekenntnisse.
Auch wenn viele das Gegenteil behaupten, ist die christliche Welt nicht aufgeteilt in diejenigen, die Glaubensbekenntnisse haben und diejenigen die nur die Bibel haben. Sie ist wirklich aufgeteilt in die diejenigen, die ihre Glaubensbekenntnisse öffentlich niederschreiben, damit andere sie überprüfen und korrigieren können und diejenigen, die sie nicht niederschreiben. Der Grund dafür ist einfach: jede Gemeinde (und jeder Christ) glaubt, dass die Bibel eine bestimmte Bedeutung hat und das ist ihr Bekenntnis, egal ob sie es niederschreibt oder nicht. – Carl R. Trueman
Das funktioniert natürlich nicht alles automatisch, als ob ein Bekenntnis allein diese positiven Effekte erbringen könnte, aber es ist ein wertvolles Werkzeug dafür. Es bedeutet natürlich auch nicht, dass Bekenntnisse auf einer Stufe mit der Bibel stehen und nicht hinterfragt werden dürfen, selbst das apostolische Glaubensbekenntnis (als wohl erstes postbiblisches Bekenntnis) wird kaum noch mit dem ursprünglichen Satz “hinabgefahren in die Hölle” rezitiert.